Inhalt
- Zusammenfassung
- Die Situation der Betroffenen
- Alzheimer-Kranke
- Der pflegende Angehörige
- Kostengesichtspunkte
- Prävalenz und Inzidenz
- Aufteilung der Pflegekosten auf Angehörige und Kostenträger
- Einsparungen durch Verzögerung des fortschreitenden Krankheitsverlaufs
- Einsparungen aufgrund nicht in Anspruch genommener Sachleistungen
- Beschwerdedruck und Inanspruchnahme ärztlicher Leistung
- Meßbare Erfolge der Schulung und Beratung
- Verteilung der knappen Ressourcen
- Interventionsmaßnahmen und Gewinn an Lebensqualität
- Gesundheitsfördernde Maßnahmen für pflegende Angehörige Demenzkranker
- Erfahrungsbericht der Initiatorin der Alzheimer Angehörigen-Initiative
- Wochenendseminare für pflegende Angehörige Demenzkranker
- Beratungssprechstunde zur persönlichen Einzelberatung
- Telefonberatung zur Bewältigung von Krisensituationen
- Selbsthilfegruppen mit gleichzeitiger Krankenbetreuung
- Selbsthilfegruppen
- Betreuungsgruppen
- Hausbesuche
- Hausbesuche nach der Kontaktaufnahme
- Hausbesuche bei Betroffenen, die immobil geworden sind
- Hausbesuche zur zeitweisen Entlastung des pflegenden Angehörigen
- Hausbesuche zur Aktivierung des Demenzkranken
- Familienberatung
- Die Aktivierung des Selbsthilfepotentials pflegender Angehöriger Demenzkranker in
Berlin
- Literaturnachweis
- Anmerkungen
Druckversion
Es wird ein in seiner Konzeption neuartiges und in der Bundesrepublik
Deutschland einmaliges Projekt vorgestellt: Pflegende Angehörige
von Demenzkranken werden durch breit angelegte, gut erreichbare
Hilfsangebote dauerhaft in ihrer Pflegemotivation gestützt
und in ihrer Handlungskompetenz gefördert. Dadurch wird die
Lebensqualität des Demenzkranken verbessert und das subjektive
Belastungserleben des Pflegenden vermindert. Das praktizierte
Vorgehen führt die situationsbedingt in die Isolation geratenen
Pflegepersonen zusammen, fördert ihre Solidarität und
aktiviert bereits nach kurzer Zeit ihr Selbsthilfepotential. Nach
Beendigung der Pflegesituation stellen einige von ihnen ihre frei
werdende Arbeitskraft, ihre langjährige Erfahrung und ihr
erworbenes Wissen dem Projekt zur Verfügung. Es entwickelt
auf diese Weise eine wachsende Eigendynamik. So wird das langfristige
Ziel erreichbar, Berlin [1] mit den z.Zt. bestehenden
Hilfsangeboten flächendeckend zu versorgen:
- Wochenendseminare zum Thema "Betreuung und Pflege Demenzkranker"
- Beratungssprechstunden zur persönlichen Einzelberatung
- Telefonberatung zur Bewältigung von Krisensituationen
- Gesprächsgruppen (mit gleichzeitiger Krankenbetreuung)
- Hausbesuche unterschiedlichen Charakters:
- Hausbesuche zur Erteilung praktischer Anleitungshilfen
- Hausbesuche zur Aktivierung des Kranken und Entlastung des
Pflegenden
Diese Maßnahmen führen bei den Kostenträgern zu
Einsparungen:
- Die Krankenkassen sparen Kosten für die Inanspruchnahme ärztlicher
Leistungen,
durch den Pflegenden, aufgrund physischer und psychischer Beschwerden
während und nach der Zeit der Pflege. [2]
- Die Pflegekassen sparen
- Die Gemeinden werden von Sozialleistungen für ambulante und stationäre Pflege
mittelloser Demenzkranker entlastet [6]
Durch Aufklärung werden pflegende Angehörige dazu angeleitet,
ärztliche Hilfe und Medikamente gezielter und nutzbringender
in Anspruch zu nehmen. Außerdem wird das Bewußtsein für alternative
nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten sowohl
des Kranken als auch seines pflegenden Angehörigen geschärft
[7]. Dieses präventive Vorgehen vermindert
die Gefahr einer späteren Medikalisierung und erspart die
dadurch virtuell drohenden Kosten.
Mit den dargestellten Maßnahmen wird die Gesundheitsversorgung
der Betroffenen qualitativ verbessert.
- wird die Gesundheit der Pflegenden stabilisiert und zwar durch
- werden durch Verminderung des seelischen und körperlichen
Beschwerdedrucks bei den Pflegenden und dauerhafte Stabilisierung
auf einem möglichst niedrigen Niveau
Im Folgenden wird oft von der Alzheimer-Krankheit als Ursache
der Demenz ausgegangen. Sie ist mit 60% der Demenzerkrankungen
die häufigste Form der Hirnleistungsstörungen im Alter
[ 12 ].12
Die nachfolgenden Ausführungen - insbesondere hinsichtlich
der Situation der pflegenden Angehörigen - treffen aber auch
weitgehend auf andere Formen der Demenz zu.
Bei der Alzheimer-Krankheit nehmen Gedächtnis- und Orientierungsstörungen
im Verlauf ein so großes Ausmaß an, daß selbst
Angehörige nicht mehr erkannt werden und die meisten täglichen
Verrichtungen nicht mehr bewältigt werden können. Erst
im späten Krankheitsverlauf kommt es zu körperlichen
Verfallserscheinungen. Die Krankheit ist unheilbar und führt
im Laufe von ca. 5 - 10 Jahren, in Ausnahmefällen bis zu
15 Jahren zu völliger Hilflosigkeit und schwerster Pflegebedürftigkeit.
Der Kranke erlebt den Verlust seiner geistigen Fähigkeiten
i.d.R. bewußt und reagiert darauf mit Depressionen. Im mittleren
Stadium der Krankheit kommen Wahnerleben, Angstzustände,
Panikreaktionen und Aggression ebenso hinzu wie die Tendenz wegzulaufen,
wobei oft der Weg zurück nach Hause nicht mehr selbständig
gefunden wird. Durch den Verlust des Zeitgefühls kommt es
zur Schlafumkehr. Bald können Aktivitäten des täglichen
Lebens nicht mehr selbständig durchgeführt werden: Körperpflege,
Nahrungsaufnahme, Toilettengang. Unkontrollierte Aktivitäten
des Kranken und Inkontinenz verursachen ein Chaos in der Wohnung,
ruinieren sie und gefährden vor allem den Kranken und seinen
pflegenden Angehörigen. Ohne Fixierung und Sedierung muß
der Kranke rund um die Uhr beaufsichtigt und betreut werden.[24]
Auf intellektueller Ebene ist der Kranke nicht mehr ansprechbar,
doch bleibt er für Körpersprache und menschliche Wärme
empfindsam und empfänglich. Angehörige können daher
helfen, mit viel Liebe und Nähe in ruhiger Gelassenheit,
sowie einem einfachen Tagesablauf in vertrauter Umgebung, die
verlorene Orientierung wenigstens teilweise zu ersetzen.
Der pflegende Angehörige ist das zweite Opfer, das diese
grausame Krankheit stets fordert: Sein Leidensweg beginnt damit,
daß er aus Unkenntnis und Unverständnis falsch auf
die Ausfälle des Kranken reagiert, was unvermeidlich zu Spannungen
führt. Nicht nur, daß er mit der schmerzhaften Persönlichkeitsveränderung
eines lieben vertrauten Menschen fertig werden muß, darüber
hinaus wird er zwangsläufig auch zum Pfleger, und das ohne
jede Ausbildung. rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr ist der Angehörige
gefordert, bis hin zur völligen Selbstaufgabe, aufgerieben
im Konflikt aus Unvermögen und Anspruchshaltung. Statt zu
helfen, reagiert der Kreis der Verwandten, Nachbarn und Freunde
meist mit Unverständnis, Vorwürfen und Abgrenzung. Das
führt in der Regel zu einer völligen Isolierung der
Betroffenen.
Auch den physischen Anforderungen werden die oft schon betagten
pflegenden Angehörigen aufgrund eigener körperlicher
Beschwerden kaum noch gerecht. So kommt es neben der baldigen
Erschöpfung auch zum Verlust jeden persönlichen Freiraums.
Die zunehmende Hinfälligkeit des Kranken und Gefühlslabilität,
verbunden mit fortwährendem Abschiednehmen und Rollenwechsel
stellen an sich bereits eine nicht zu überschätzende
psychische Belastung dar.[9]
Dabei erfordert der fortschreitende Krankheitsverlauf eine stabile
Persönlichkeit des Pflegenden, der sich fortwährend
auf neue Lebenssituationen einstellen muß und dabei einen
langen Weg beständigen Lernens zurücklegt, eine Gratwanderung
[11] z.B. zwischen
- fordern und überfordern,
- den eigenen Bedürfnissen und denen des Kranken,
- unklaren Willensäußerungen des Kranken und seinem
tatsächlichen Wunsch,
- Achtung der Würde d. Kranken und der. Notwendigkeit,
den Intimbereich zu überschreiten.
Als psychisch belastende Faktoren werden in der Literatur hervorgehoben
[11 -> 3 und 8]:
- erlebtes Unvermögen, den Gesundheitszustand des Kranken
zu bessern
- die Aussichtslosigkeit bzgl. des weiteren Krankheitsverlaufs
- permanente Anwesenheit des Kranken
- fehlende Möglichkeit des Ausgleichs
- soziale Isolation
- finanzielle Probleme
Die folgende Tabelle zeigt die in der Häuslichen-Pflege-Skala
(HPS) genannten Belastungsfaktoren, denen mehr als die Hälfte
der Stichprobe von 1272 Pflegenden von Demenzkranken zustimmen
(sortiert nach dem Zustimmungsgrad) 13. Die
Adjektivskala (mit 0, 1, 2, 3, 4 Punkten kodiert, mit 0 = stimmt
nicht, 1 = stimmt ein wenig, 2 = stimmt überwiegend, 3 =
stimmt genau) wurde einer früheren Pilotstudie über
51 Pflegende von Demenzkranken entnommen: 14
Hauptbelastungsfaktoren für pflegende Angehörige von Demenzkranken
|
84,6 % | Zeitmangel für eigene Interessen
| 2,4 +0,8 |
84,1 % | Pflege kostet viel Kraft
| 2,4 +0,9 |
79,3 % | Traurigkeit über das Schicksal
| 2,6 +0,9 |
76,4 % | Wunsch nach Erholung
| 2,3 +0,9 |
65,8 % | nicht abschalten können
| 1,9 +1,1 |
65,3 % | körperliche Erschöpfung
| 2,1 +1.0 |
63,2 % | Unausgeschlafenheit
| 1,9 +1,0 |
63,2 % | erschw. Bewältig. pflegunabh. Aufg.
| 1,7 +1,0 |
58,3 % | Aufgabe von Zukunftsplänen
| 1,7 +1,4 |
57,2 % | Wunsch auszubrechen
| 1,8 +1,3 |
54,9 % | Konflikt zwischen Anforderungen
| 1,6 +1,3 |
53,9 % | Zufriedenheitsabnahme
| 1,8 +1,1 |
52,2 % | Beziehung zu andren leidet 15
| 1,6 +1,2 |
51,1 % | Verringerung des Lebensstandards
| 1,5 +1,3 |
50,0 % | angegriffene Gesundheit
| 1,9 +1,0 |
Tabelle 1: Die für pflegende Angehörige von Demenzkranken
15 wichtigsten Belastungsfaktoren gemäß Häuslicher
Pflegeskala
Welche Konflikte ein pflegender Angehöriger mit sich auszutragen
hat, kommt in dieser Aufstellung allenfalls ansatzweise zum Ausdruck.
Wie wirken die Pflegebelastung, die Beziehung zum Demenzkranken
vor dem Hintergrund der Lebensgeschichte des Pflegenden, seinen
Wertvorstellungen und religiösen/weltanschaulichen Moralvorstellungen
zusammen? In welch verzweifelte Lage kann ein Ehemann geraten,
der vor Jahren seiner Frau versprochen hat, sie in ihrem eigenen
Bett sterben zu lassen - komme was wolle - und nun der Pflegesituation
nicht gerecht wird. Die Wohnung wird zunehmend zur Kloake, alles
im Leben Wertgeschätzte geht zu Bruch. Der Wunsch nach baldigem
Tod der Frau konfliktet sowohl mit dem Versprechen ewiger Liebe
und Treue, als auch mit den Moralvorstellungen der Kirche [13].
Die durchschnittlich wahrgenommene pflegerische Gesamtbelastung
nimmt übrigens nicht kontinuierlich mit der Pflegebedürftigkeit
zu, sondern ist in einer frühen Pflegestufe am höchsten,
dann nämlich, wenn der Pflegebedürftige bei Hilfestellung
noch alltägliche Aktivitäten selbständig ausführen
kann. In dieser Zeit zeigt der Demenzkranke Verhaltensweisen,
die eine ständige Beaufsichtigung des Kranken erforderlich
machen (z.B. Ruhelosigkeit, Herumwandern), zu denen er bei schwerer
Pflegestufe nicht mehr in der Lage ist. In dieser Zeit wird dem
pflegenden Angehörigen auch klar, daß sich sein Leben
durch die Pflege radikal ändern wird. Darüber hinaus
wird der Pflegende in dieser Zeit durch Dritte am wenigsten entlastet
[18] 16, was u.a. auf
den bereits erwähnten Rückzug von Freunden und Familienmitgliedern
zurückgeführt werden kann.
Die Belastung des pflegenden Angehörigen fällt auf den
Demenzkranken zurück, denn bei steigender Belastung nehmen
die Spannungen im Verhältnis zu ihm zu, bis hin zu aggressivem
Verhalten [18 -> 31].
Physische Erschöpfung, psychosomatische Krankheiten und Depressionen
sind die Folge der andauernden Überlastung und der sozialen
Isolation. So zeigen 60 - 70 % der pflegenden Angehörigen
"Störungen" [34 -> 15],
bzw. nur 1/3 von ihnen bezeichneten ihren Gesundheitszustand als
gut [34 -> 26].
Die nachfolgende Tabelle zeigt Ausmaß und Ursachen der körperlichen
Beschwerden 17:
Anz. zu Hause Pflegender von Demenzkranken n = 50
Diagnose
| Ursache | PR
| PR > 50 bei | Zusammenhang von
Pflege und Beschwerden
|
Erschöpfung |
| 78 + 17 | 76 %
| hochsignifikant |
Magenbeschwerden | psychosomatisch bedingt
| 67 + 17 | 74 %
| hochsignifikant |
Gliederschmerzen | Direkteinwirkung auf den Stützapparat
| 79 + 14 | 74 %
| hochsignifikant |
Herzbeschwerden |
| 60 + 25,5 | 62 %
| |
gesamt |
| 72 + 18 | 72 %
| signifikant |
"Ein Prozentrang (PR) > 50 bedeutet ein überdurchschnittliches
Beschwerdeausmaß im Vergleich zu einer repräsentativen
Bevölkerungsstichprobe gleichen Geschlechts und gleicher
Altersstufe." [17]
1/3 der Helfer braucht selber dringend psychische Unterstützung
[34 -> 16] und alle
brauchen Hilfe, um langfristig seiner Aufgabe gerecht zu werden.
Eine Kosten-/Nutzen-Rechnung für die in diesem Konzept genannten
Maßnahmen kann aufgrund fehlender Daten an dieser Stelle
nicht geboten werden. Statt dessen wird Zahlenmaterial aus der
wissenschaftlichen Literatur herangezogen, das den Kostenträgern
helfen soll, mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Statistiken
sowie den zitierten Quellen das Sparpotential der vorgeschlagenen
Maßnahmen selbst zu berechnen.
Jeder 100. leidet bei Eintritt ins Rentenalter unter Hirnleistungsstörungen.
Jeder 5. über 85 ist demenzkrank und jeder 3. über 90.
Insgesamt sind 6,5% der über 60-Jährigen dement. Für
Berlin errechnet die Alzheimer-Gesellschaft Berlin e.V. eine Zahl
von über 41.000 Demenzkranken [10].
Allein in den alten Bundesländern wird die Zahl der Demenzkranken
in den nächsten 15 Jahren von derzeit 0,93 bis 1,26 Millionen
auf 1,14 bis 1,55 Millionen drastisch steigen [2].
In der BRD gab es 1993 etwa 700.000 Demenzkranke (420.000 Alzheimer-Kranke)
in pflegebedürftigen Stadien [38].
Dies entspricht recht genau der Zahl, die sich aus dem oben zitierten
Berechnungsmodus der Alzheimer Gesellschaft Berlin e.V. ergibt,
so daß davon ausgegangen werden muß, daß die
genannten 41.000 Demenzkranken in Berlin auch tatsächlich
pflegebedürftig sind.
Die folgende Tabelle gibt einen groben Anhalt über die ungefähre
Verteilung des Schweregrades der Demenz bei Alzheimer-Kranken
[21 S. 36]:
Schweregrad I | keine Orientierungsstörungen aber intellektuelle Grundfunktionen
deutlich eingeschränkt
| 46,2% |
Schweregrad II | leichte bis mittlere Orientierungsstörungen
| 30,8% |
Schweregrad III | schwere Orientierungsstörungen
| 23,1% |
3.2 Aufteilung
der Pflegekosten auf Angehörige und Kostenträger
1987 wurden 690.000 (= 83%) Demenzkranke der damaligen BRD von
den Angehörigen versorgt, die 85% der volkswirtschaftlich
entstandenen Aufwendungen allein trugen, indem sie die Pflege
i.d.R. unentgeltlich leisteten. Die Kostenträger wurden lediglich
mit 10% der Gesamtkosten in Höhe von rein rechnerisch ermittelten
27,2 Mrd. DM für die stationäre Pflege der etwa 169.000
Demenzkranken belastet; auf die ambulanten Pflegedienste entfielen
4% und auf die (Sonder-)Krankenhäuser weniger als 2% der
Kosten für ca. 30.000 Fälle [2].
Folgerichtig sieht die IGSF-Studie das Kosteneinsparungspotential
nicht nur in der Verringerung der Pflegezeiten durch geeignete
Therapiemaßnahmen (Reduktionsmodell) sondern vor allem in
der Verlagerung der Pflege aus den Akut- und Sonderkrankenhäusern
in Einrichtungen der Stationären Altenhilfe bzw. nach Hause
sowie der Verzögerung der Heimeinweisung bzw. Verringerung
der Inanspruchnahme ambulanter Pflegedienste (Verschiebungsmodell)
[2].
3.3 Einsparungen
durch Verzögerung des fortschreitenden Krankheitsverlaufs
"Alzheimer-Kranke, denen vergönnt ist, in ... einer
einfühlsamen Umgebung zu leben, verfallen weniger rasch.
Bei ihnen entwickeln sich seltener Folgesymptome wie Depression,
Angst und Unruhe. Der körperliche Verfall .... erfolgt später.
... der Heimaufenthalt, läßt sich bei patientengerechter
Betreuung hinausschieben und somit wesentlich verkürzen"
[12].
Genau aus diesem Grund hat der Gesetzgeber vorgesehen, daß
die Pflegekassen halbjährlich die Pflegequalität der
pflegenden Angehörigen, die nur Geldleistungen in Anspruch
nehmen, kontrollieren lassen.
Wird durch gute Pflege der Krankheitsverlauf verzögert, so
erfolgt auch die Umstufung in eine höhere Pflegeklasse entsprechend
später. In dieser Zeit sparen die Pflegekassen die Leistungsdifferenz
zwischen den Pflegestufen.
Daß die vorgeschlagenen Interventionsmaßnahmen für
pflegende Angehörige Demenzkranker diesen Effekt haben, wird
im Kap. 3.6 gezeigt.
Ab dem Jahr 2005 werden Chancen zur Kosteneinsparung in Höhe
von 1,6 Mrd. DM jährlich durch geeignete frühzeitige
Therapiemaßnahmen gesehen: Arzneimittel, Bewegungstherapie,
cerebrales Jogging und Diät (ABCD-Modell).18
Außer acht gelassen wird bei diesem Modell das "E"
für einfühlsame Betreuung und Pflege, die ebenfalls
einen signifikanten Einfluß auf den Krankheitsverlauf hat
(siehe 3.6).
Das in 3.2 zitierte Reduktions- und Verschiebemodell setzt jedoch
die Annahmebereitschaft des pflegenden Angehörigen voraus.
Der Zeitpunkt der Institutionalisierung der Pflege hängt
jedoch mehr von der subjektiv wahrgenommenen pflegerischen Belastung
des pflegenden Angehörigen ab, als vom objektiven Schweregrad
der dementiellen Erkrankung des Gepflegten [17
-> 37]. Folglich muß der Beschwerdedruck
durch geeignete Interventionsmaßnahmen abgebaut und auf
einem möglichst niedrigen Niveau gehalten werden.
3.5 Beschwerdedruck
und Inanspruchnahme ärztlicher Leistung
"Pflegerische Belastung, die als chronischer Stressor zur
abgeschwächten Immunreduktion führt, läßt
sich für pflegende Angehörige von Alzheimer-Patienten
nachweisen." [17 -> 23]
Neben den tatsächlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen
bestimmen aber die subjektiv wahrgenommenen Beschwerden "den
Umfang in Anspruch genommener Hilfe. Sie sind also eine wesentliche
Determinante der Kosten, die ein Gesundheitswesen verursacht."
[17]
Die in diesem Konzept vorgestellten Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
pflegender Angehöriger von Demenzkranken verfolgen daher
das Ziel "die Lebensqualität des Gepflegten zu maximieren
sowie die Belastungen für den Pflegenden zu minimieren [17
0].
"Der circulus vitiosus von 'Belastung, Distreß, Beschwerden,
Überforderung, zunehmender Belastung' kann unterbrochen werden,
wenn durch Intervention - z.B. Beratung und Information, Selbsthilfegruppen,
Leistungen sozialer Dienste - eine Entlastung erreicht wird."
[17 -> 14]
"Durch den präventiven Einsatz könnte körperlichen
Beschwerden vorgebeugt, die Pflegesituation verbessert und ein
Beitrag zur Eindämmung des professionellen, institutionalisierten
Pflegeaufwandes geleistet werden." [17]
Wird der pflegende Angehörige durch Interventionsmaßnahmen
befähigt und motiviert, die Pflege allein durchzuführen,
anstatt "Sachleistungen" einer Sozialstation in Anspruch
zu nehmen, beträgt die Kostenersparnis pro Pflegefall allein
für die Pflegekasse je nach Pflegestufe 4.200, 12.000 bzw.
18.000 DM/Jahr. Seit 1.7.1996 erhöhen sich die Beträge
für die unteren Pflegestufen, wenn durch die Interventionsmaßnahme
eine Heimeinweisung verhindert wird. Hinzu kommen die von den
Sozialämtern zu tragenden Kosten, da ca. 70% der Heimbewohner
die Heimkosten nicht selbst bezahlen können.[33]
Daß außerdem hierdurch die Pflege des Kranken verbessert
wird, sei hier nur am Rande erwähnt.
Kranke, die einfühlsam gestützt werden, fallen sehr
viel später dem völlig hilflosen Zustand des Endstadiums
zum Opfer. Diese, auch für den Pflegenden schlimmste Phase,
wird somit verkürzt [12 S. 94].
Die Beständigkeit des persönlichen Umfeldes (Menschen
und Umgebung) ist für den Kranken von größter
Wichtigkeit. Das kennzeichnet die besondere Bedeutung des pflegenden
Angehörigen für den Kranken [11].
Es ist offensichtlich, daß der pflegende Angehörige,
den seine neue Aufgabe meist völlig unerwartet trifft, dringend
der Schulung bedarf. Diese liegt sowohl in seinem Interesse als
auch in dem des Kranken. Daß sich gezielte Schulung von
pflegenden Angehörigen auszahlt, zeigt ein Bericht "über
einen Versuch, bei dem pflegende Ehepaare 10 Tage lang intensiv
ausgebildet und anschließend 12 Monate lang durch Telefonberatungen
(mit abnehmender Häufigkeit) unterstützt wurden. Ergebnisse:
Vier Jahre nach dem Training lebten noch 55 Prozent der Demenzkranken
in den Haushalten der geschulten Betreuer, während es in
den Haushalten ohne entsprechendes Training nur noch 8 Prozent
waren! Die Schulung beeinflußte zudem günstig das seelische
Befinden der Betreuer, verringerte die Morbidität der Kranken
und sparte erhebliche Pflegeheimkosten ein." [29]
Die Ersparnis innerhalb der ersten 39 Monate wird mit A$7867 angegeben
[7]. Da das Training bereits im August 1987
durchgeführt wurde, 19
dürfte sich diese Angabe auf Mitte 1991 beziehen, als der
A$ bei 1,32 DM stand. Somit betrugen die Einsparungen (nach Abzug
der Kosten für die Interventionsmaßnahme!) über
10.000 DM.
Eine frühere Studie des selben Autors, zeigte bereits nach
einem Jahr einen deutlichen Effekt: Nach 12 Monaten lebten noch
65% Demenzkranke der Interventionsgruppe zu Hause gegenüber
26% der Kontrollgruppe [4]. Dieser Trend setzte
sich fort, wie eine weitere Erhebung nach 3 Jahren zeigte.
20
Angesichts derartig erfreulicher Ergebnisse gilt es allerdings,
die Versuchsbedingungen, unter denen diese Erfolge erzielt wurden,
genau im Auge zu behalten. So brachte die Reduktion des erfolgreichen
10-Tage-Programms (bestehend aus einer Vielzahl von Maßnahmen
21 ) mit anschließender
telefonischer Betreuung) 22 auf ein 18-Std.-Programm
(das sich über 4 Monate erstreckte und z.T. von den Leitern
örtlicher Alzheimer-Gruppen durchgeführt werden mußte)
keine signifikanten Effekte mehr [6]. Mehr
noch: Eine 10-Tages Kurzzeitpflege zur zwischenzeitlichen Entlastung
der Pflegenden verzögerte eine Heimeinweisung der Demenzkranken
nicht (eher im Gegenteil) und verschlechterte sogar den Gesundheitszustand
der Pflegenden. Mögliche Gründe für die Verschlechterung
[4]:
- Enttäuschung über ausbleibende Erfolge an der Teilnahme
der "Memory Group", die folgende vielversprechende Aktivitäten
bot: Gehirnjogging, Reminissenstherapie, Realitätsorientierungstraining
- stärkeres Empfinden der Last der Pflege nach der kurzzeitigen
Entlastung
- die Pflegenden hatten zum Zeitpunkt der Kurzzeitpflege einen
relativ guten Gesundheitszustand, der sich im Laufe des Folgejahres
dem durchschnittlichen Niveau von pflegenden Angehörigen
anpaßte.
Der Gesundheitszustand der Teilnehmer des 10-Tage-Programms (mit
anschließender Telefonbetreuung) verbesserte sich übrigens
im Folgejahr kontinuierlich [7].23
Fazit: Nur ein breites Spektrum von Hilfsangeboten, das
die pflegenden Angehörigen dem jeweiligen Krankheitsstand
entsprechend in Anspruch nehmen können, verzögert eine
Heimeinweisung und verbessert den Gesundheitszustand der Betroffenen
[6, 28].
Der § 45 (1) PflegeVG, der die Schulung für Angehörige
und ehrenamtliche Pflegepersonen regelt, sollte daher nicht zu
eng interpretiert werden. Wenn es dort heißt: "Die
Pflegekassen sollen ... Schulungskurse unentgeltlich anbieten,
um ... seelische Belastungen zu mindern.", so darf darunter
nicht verstanden werden, daß die Pflegekassen im Falle von
Demenzkranken nach einer einmaligen Schulung aus der Pflicht sind.
Vielmehr sollte der Passus: "Die Schulung kann auch in der
häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen stattfinden."
als anschließende Fortführung der Schulungsmaßnahme
verstanden werden. Dieser Paragraph eröffnet durchaus auch
die Möglichkeit der Kostenübernahme für Hausbesuche
und Telefonberatung durch die Pflegekassen, da "Schulung"
im Fall von Demenzerkrankung wohl kaum als Einzelunterricht verstanden
werden kann.
Diese weite Fassung des § 45 (1) PflegeVG kostet in der Umsetzung
zwar mehr Geld als eine vergleichsweise enge Auslegung. Neben
den im vorigen Kapitel beschriebenen Vorteilen böte eine
großzügigere Auslegung aber den Krankenkassen auch
die Möglichkeit der Imagepflege, was seit Januar 1996 von
besonderer Bedeutung sein sollte, seit den Versicherten die freie
Kassenwahl gewährt wird.
In den 70er Jahren erhielten in Großbritannien 25% der alleinstehenden
Verwirrten über 74-Jährigen in Durchschnitt an 2 Tagen
in der Woche häusliche Hilfe. Dagegen kamen nur 5% der Verwirrten
über 74 in den Genuß dieser Hilfe, wenn sie noch mit
ihrem Ehegatten zusammenlebten. Dies scheint einsichtig, da ja
ein verheirateter Demenzkranker Hilfe von seinem Ehegatten erwarten
kann. Es hat sich jedoch gezeigt, daß demenzkranke Alleinstehende
anscheinend kaum eine Chance haben, weiterhin in ihrer Gemeinde
zu bleiben [34 -> 1].
Es erhebt sich damit die Frage, ob man die begrenzten Mittel nicht
besser Familien zukommen ließe, die einen Demenzkranken
betreuen [34 -> 26].
Zwar ist es auch eine Aufgabe der Kostenträger im Gesundheitswesen
der Solidargemeinschaft Ausgaben zu ersparen, dies aber nur insoweit,
als daß auch bei eingesparten Kosten eine angemessene Gesundheitsversorgung
gewährleistet wird. So wäre es etwa bedenklich, Hilfsmaßnahmen
für pflegende Angehörige ausschließlich nach dem
Gesichtspunkt maximaler Kostenersparnis zu gewähren.
Übereinstimmend werden die Mehrzahl der Interventionsmaßnahmen
von den Pflegenden als wohltuend empfunden, wohingegen nicht alle
zu Einsparungen führen (etwa durch verzögerte Heimeinweisung
oder sonstige Inanspruchnahme ärztlicher Leistung - wie in
Kap. 3 beschrieben). Die Erhöhung der Lebensqualität
der Betroffenen spielt weiterhin eine wichtige Rolle - wenn nicht
gar die wichtigste überhaupt [34].
Zur Ermittlung des Qualitätsgewinns stehen inzwischen eine
Fülle von Instrumenten zur Verfügung, so daß Interventionsmaßnahmen
grundsätzlich auch in dieser Hinsicht beurteilt werden können.
Ein Instrument zur Messung der Lebensqualität von pflegenden
Angehörigen ist der CQLI (Caregivers Quality Life Index).
Er beruht auf einem Zeitäquivalent, nach dem der Betroffene
im Gedankenexperiment Jahre mit gleichbleibender Pflegeverpflichtung
(und anschließendem Tod) gegen Jahre ohne Pflegeverpflichtung
(und anschließendem Tod) tauschen kann. Würde ein Pflegender
bereit sein, 20 Pflegejahre gegen 10 freie Jahre zu tauschen,
betrüge sein Index 10/20=0,5 [34 ->
27].
Ein Programm, das darauf ausgerichtet war, dem pflegenden Angehörigen
Zeit für soziale Aktivitäten, Haushalt führen,
Einkaufen und Ausruhen zu gewähren, führte zu einer
Verbesserung des CQLI um 5-10% [34 ->
25].
Ein um durchschnittlich 20 % verbesserter CQLI wurde durch das
folgende Hilfsprogramm für pflegende Angehörige erzielt,
das folgende Hauptkomponenten enthielt [34
-> 27]:
- Unterweisung
- Hilfe beim Lösen von Problemen
- regelmäßige Entlastung zuhause (in-home respite)
- Selbsthilfegruppen
Ein Teilaspekt der Lebensqualität von Demenzkranken und ihres
Pflegers ist die Bewältigung der Pflegesituation selbst.
Die Fähigkeit des Pflegenden, schwierige oder auch nur ungewöhnliche
Situationen (der Kranke plaudert mit seinem Spiegelbild) zu meistern,
hängt stark von der Pflegekompetenz ab, die er sich erwerben
muß.
Ihm dabei zu helfen, ist eine gesellschaftliche Aufgabe: Die pflegenden
Angehörigen zahlen für ihre Opferbereitschaft einen
hohen Preis, der ohne ihr Engagement der Allgemeinheit zur Last
fiele. Sie verdienen daher maximale Unterstützung und Schutz
vor eigener Erkrankung [34]. Denn "eine
Überforderung kann bei einer fehlenden Unterstützung
durch professionelle Helfer im Laufe der Zeit zu einer Erkrankung
der pflegenden Angehörigen führen. Um hier nicht einen
Kreislauf auszulösen, an dessen Ende dann ein 'zu pflegender
Pfleger' steht, gilt es, pflegenden Angehörigen eine breitestmögliche
Unterstützung, wie etwa Angehörigengruppen, Pflegedienste
etc. zukommen zu lassen." [22]
5.
Gesundheitsfördernde Maßnahmen für pflegende Angehörige Demenzkranker
"Angesichts der gesamten Beschwerde- und Belastungssituation
[sollten] praxisnahe, frühzeitig einsetzende und auf die
verschiedenen Bedürfnisse ausgerichtete Unterstützungsmaßnahmen
angeboten werden, ... das Telefonkontakte, Angehörigengruppen,
Beratungsgespräche ... und gemeindenahe Betreuungsgruppen
vorsieht" [18] 24
Da größere Entfernungen für den Kranken und seinen
pflegenden Angehörigen oft eine unüberwindbare Hürde
darstellen 25,
müssen entlastende Hilfen immer in der Nähe des Wohnortes
angeboten werden, um überhaupt in Anspruch genommen werden
zu können.
Die hier vorgestellten Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
für pflegende Angehörige Demenzkranker verfolgen das
Ziel, den pflegenden Angehörigen
- auf vielfältige Weise psychisch zu stützen
- zur effektiven Pflege anzuleiten und damit physisch zu entlasten
- sozial in eine Gruppe verständnisvoller Menschen zu integrieren
Aufbauend auf einem intensiven Schulungsprogramm wird pflegenden
Angehörigen die Möglichkeit geboten, sich bei der praktischen
Umsetzung des Gelernten durch die BetreuerIn und andere Teilnehmer
in Form von Gesprächsgruppen unterstützen zu lassen.
Unverzichtbar sind außerdem die weitere persönliche
und telefonische Beratung [7] und ggf. auch
Hausbesuche durch die BetreuerIn im Sinne einer "engmaschigen
Therapiekontrolle" [2]. Diese Maßnahmen
sichern den pflegenden Angehörigen die kontinuierliche und
fachlich kompetente Betreuung, die notwendig sind, um die in 3.6
beschriebenen Erfolge zu realisieren.
Die dabei entstehende Beziehung zur fachlichen Betreuungskraft
wird ergänzt durch soziale Kontakte zu anderen Betroffenen
in Form von Selbsthilfe- und Betreuungsgruppen. Alle diese Angebote
sind wichtige Kontaktmöglichkeiten für die in die Isolation
gedrängten pflegenden Angehörigen. Sie erfahren wirkliches
Verständnis und Anteilnahme für ihre Situation. Über
die psychische Entlastung hinaus, erhalten sie wertvolle Anleitungshilfen
für die Pflege des Kranken.
Um vielen Pflegenden die dringend notwendige Unterstützung
zukommen zu lassen, müssen sie - unter Berücksichtigung
ihrer individuellen Situation - unter folgenden Hilfsangeboten
auswählen können: 26
- Wochenendseminare zum Thema "Betreuung und Pflege Demenzkranker"
- Beratungssprechstunden zur persönlichen Einzelberatung
- Telefonberatung zur Bewältigung von Krisensituationen
- Gesprächsgruppen mit gleichzeitiger Krankenbetreuung
- Hausbesuche unterschiedlichen Charakters:
- Hausbesuche zur Erteilung praktischer Anleitungshilfen
- Hausbesuche zur Aktivierung des Kranken und Entlastung des
Pflegenden
Mit Ausnahme der Vortragsreihe sollten diese Hilfsangebote möglichst
von einer Fachkraft mit gerontopsychiatrischer Erfahrung
geleistet werden. Die Konzentration auf nur eine BeraterIn bietet
folgende Vorteile:
- Sowohl der pflegende Angehörige als auch der Kranke können
zu einer beständigen Bezugsperson besser Vertrauen fassen,
als zu wechselnden Ansprechpartnern.
- Es wird vermieden, daß der pflegende Angehörige
widersprüchliche Ratschläge erhält.
- Die BeraterIn verfügt über alle notwendigen Informationen,
um die erforderliche Unterstützung zu leisten.
- Durch das Feedback wächst die Kompetenz der BeraterIn
schnell und kommt auch anderen Angehörigen zugute.
6. Erfahrungsbericht
der Initiatorin der Alzheimer Angehörigen-Initiative
Als ich vor über drei Jahren begann, Angehörigenarbeit
ehrenamtlich zu leisten, orientierte ich mich intuitiv an den
Bedürfnissen der pflegenden Angehörigen und sah den
großen Handlungsbedarf.
So richtete ich in drei Stadtbezirken Ost-Berlins Beratungssprechstunden
ein, machte Hausbesuche und war für die Angehörigen
in Krisensituationen auch telefonisch bei mir zuhause erreichbar.
Diese Angehörigen führte ich kurz darauf in drei Gesprächsgruppen
zusammen - jeweils in ihrem Wohnbezirk. Für alle war dies
die erste Begegnung mit anderen Betroffenen. Damit die pflegenden
Angehörigen überhaupt an den Gruppen teilnehmen konnten,
ermöglichte ich Krankengruppen, die zur gleichen Zeit in
einem Nachbarraum fachlich betreut wurden.
Seit über zwei Jahren fördert die Senatsverwaltung für
Soziales und Gesundheit meine bis dahin ehrenamtliche Arbeit mit
einer halben Stelle. Träger ist die Volkssolidarität
Landesverband Berlin e.V. Seit Anfang 1997 fördert auch sie
meine Arbeit nicht nur mit einer weiteren halben Stelle sondern
auch durch tatkräftige Unterstützung, z.B. bei der Vereinsgründung.
Die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. ist inzwischen
eine feste Einrichtung in Berlin, die sich dynamisch weiterentwickelt:
In drei Jahren wurden über 250 Angehörige beraten, zwei
Drittel von ihnen dauerhaft betreut. Neun von fünfzehn bestehenden
Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige Demenzkranker
in Berlin werden von uns geleitet. Im Frühjahr 1998 entsteht
eine weitere Gruppe im Stadtbezirk Prenzlauer Berg.
Die Alzheimer Angehörigen-Initiative bietet ihre Hilfsangebote
in z.Zt. neun Stadtbezirken an nach dem Motto: wohnortnah, breit
angelegt, dauerhaft verfügbar.
Seit 1996 bietet die AOK Berlin Kurse in Kooperation mit der Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. (AAI) ca. vierteljährlich Wochenendseminare für Angehörige von Demenzkranken an. Dieser Kurs wurde von der 1. Vorsitzenden der AAI, Rosemarie Drenhaus-Wagner, entwickelt und ausschließlich von ihr durchgeführt.
Durch den speziellen Kurs zum Thema "Der einfühlsame Umgang mit den Defiziten, Bedürfnissen und Gefühlen des Demenzkranken" sollen pflegende Angehörige:
- Grundkenntnisse über Krankheitsursachen und Krankheitsverlauf vermittelt bekommen,
- Verständnis für die daraus resultierende veränderte Lebenswelt des Demenzkranken entwickeln,
- Möglichkeiten für einen angemessenen Umgang mit den Demenzkranken aufgezeigt bekommen,
- erstmalig erfahren können, wie psychisch entlastend der Austausch im Kreise Gleichbetroffener auf sie wirkt. Auf diese Weise sollen die Angehörigen motiviert werden, regelmäßig eine fachlich geleitete Gesprächsgruppe zu besuchen.
Die Kurse finden in den Räumen der Berliner AOK-Geschäftsstellen statt, wo keine Krankenbetreuung angeboten werden kann. Da es den Pflegenden eher möglich ist, am Wochenende eine Betreuung für den Kranken zu organisieren, finden die Seminare an den beiden Tagen eines Wochenendes statt.
Die Wochenendseminare haben folgenden Verlauf:
- Zu Beginn des Kurses stellen sich die Kursteilnehmer einzeln vor und schildern ihre ganz persönliche, von der Pflegesituation dominierte Lebenssituation und ihre daraus resultierenden Belastungen sowie ihre Hoffnungen und Erwartungen an den Wochenendkurs.
- Das Wissen wird nicht als Frontalvortrag vermittelt; die Auswahl der Themen und die Tiefe ihrer Durchdringung werden maßgeblich durch die lebhafte Einbeziehung der Kursteilnehmer selbst bestimmt.
- Dadurch wird die Fremdheit der Kursteilnehmer untereinander sehr schnell überwunden und es entsteht rasch eine starke gegenseitige Anteilnahme.
- Die Kursteilnehmer schildern untereinander Problemsituationen aus ihrem Pflegealltag. Diese werden von der Kursleiterin in einen Sinnzusammenhang mit der Krankheitsursache (degenerative Schädigung bestimmter Hirnregionen), Krankheitsverlauf, Erlebniswelt des Kranken sowie dessen Defiziten, Gefühlen und Bedürfnissen gestellt.
- Im Dialog werden jeweils dann individuelle Lösungsalternativen erarbeitet. Unterschiedliche Anregungen, die von einzelnen Teilnehmern kommen, werden konstruktiv kritisch gewürdigt.
- Den Teilnehmern wird vermittelt, wie sie eigenständig mit Einfühlungsvermögen und viel Phantasie zu einer Lösung gelangen können, die natürlich auch alle maßgeblichen Einflüsse mit berücksichtigen wie z.B.
- das persönliche soziale Umfeld,
- die Beziehung zum Kranken,
- die konkrete Wohnsituation,
- die finanziellen Verhältnissen usw.
- Es entsteht durch diese Art der Wissensvermittlung in kürzester Zeit ein spürbares Zusammengehörigkeitsgefühl. Auch wenn sich die Teilnehmer nach zwei Tagen trennen, ist damit oftmals die psychische Hemmschwelle überwunden, sich einer Gesprächsgruppe anzuschließen.
- Die Kursteilnehmer zeigen einen großen Wissensbedarf und wollen jeder möglichst viel für sich nach Hause mitnehmen. Dadurch sind sie sich einig, die wenigen Stunden intensiv nutzen zu wollen und verlangen kaum nach Pausen.
- Zum Nachlesen und Anlesen nicht angesprochener Punkte erhält jeder Teilnehmer eine umfangreiche Stichwortsammlung ausgehändigt.
Beratungssprechstunden werden von den dauerhaft begleiteten pflegenden
Angehörigen in Anspruch genommen, um sehr persönliche
Angelegenheiten abzuklären. Hauptsächlich werden sie
jedoch genutzt um nach der telefonischen Kontaktaufnahme ein erstes
persönliches Gespräch in der nächstgelegenen Selbsthilfekontaktstelle
oder dem zentral gelegenen Büro der Alzheimer Angehörigen-Initiative
zu führen. Das Beratungsgespräch ist für pflegende
Angehörige oft der erste wesentliche Schritt zur Entlastung.
Viele kommen völlig verzweifelt dorthin und sind nervlich
am Ende. Sie brauchen einen verständnisvollen Gesprächspartner,
dem sie ihr Herz ausschütten können. Danach äußern
sie oftmals sinngemäß: "Endlich hat mir mal jemand
zugehört und auch geglaubt!"
Den Inhalt dieser Gespräche bestimmen die Ratsuchenden selbst.
Meistens werden zunächst problematische Situationen und die
daraus resultierenden enormen psychischen Belastungen dargestellt.
Während dieser ersten - meist stark gefühlsbetonten
- Gespräche wird der Grundstein für ein dauerhaftes
Vertrauensverhältnis gelegt. Allein durch mitfühlendes
Zuhören wird eine erste psychische Entlastung erreicht. Es
kommt auch vor, daß Ratsuchende danach vorerst keine weiteren
Hilfen in Anspruch nehmen.
Im persönlichen Einzelgespräch oder während einer
späteren telefonischen Beratung besprechen wir auch Möglichkeiten
der ersten Interventionsschritte wie das Erstellen einer fachärztlichen
Diagnose, das Beantragen von Leistungen der Pflegeversicherung
und Einleiten der gesetzlichen Betreuung bzw. deren Vermeidung
durch eine Vorsorgevollmacht. Eine zeitaufwendige strukturierte
Problem- und Zielanalyse 27 kann zur Zeit
noch nicht durchgeführt werden.
Nach einem Beratungsgespräch kann sich natürlich nicht
schlagartig alles ändern, aber mit dem Gespräch ist
dann oftmals ein wesentlicher Schritt getan, der bei vielen zum
ersten Mal wieder ein Stück Hoffnung aufkommen läßt.
6.3 Telefonberatung
zur Bewältigung von Krisensituationen
In erster Linie stellt die telefonische Beratung in kritischen
Situationen die wirkungsvollste Ergänzung zur Beratungssprechstunde
dar. Deshalb haben Ratsuchende in Krisensituationen auch am Abend
oder Wochenende die Möglichkeit bei mir zu Hause oder anderen
engagierten Angehörigen 28 anzurufen.
Vielen Angehörigen gibt die Gewißheit, jederzeit telefonisch
Hilfestellung bekommen zu können, die Kraft zum Durchhalten.
Eine Telefonnummer wird zum Rettungsanker! Auch das ist sprechende
Medizin. Eine Medizin, die von den pflegenden Angehörigen
übrigens sehr verantwortungsbewußt in Anspruch genommen
wird.
Telefonberatung bietet die Möglichkeit, den pflegenden Angehörigen
in seiner Wohnung zu erreichen und erfordert von ihm weder Mobilität,
noch organisatorischen Aufwand - etwa für die zeitweise Bereitstellung
einer Ersatzpflegekraft [35].
Der pflegende Angehörige kann während der Sprechzeiten
der Beratungssprechstunden selbst telefonisch um Rat nachfragen.
Stehen keine anderen Arbeiten an, rufen wir ihn von uns aus an.
Regelmäßige Anrufe unsererseits zeugen von Anteilnahme
und schaffen Vertrauen. Auf diese Weise kommen auch die vielen
kleineren Probleme zur Sprache, deren Lösung Schritt für
Schritt zu einer erheblichen Erleichterung des Pflegealltags führt.
Kostengünstiger kann Hilfe nicht geboten werden.
Der Kontakt zum Kranken und seinem pflegenden Angehörigen
bleibt dadurch auch zwischen den persönlichen Begegnungen
aufrecht erhalten. Dadurch ist auch gewährleistet, daß
auf aktuelle Krisen und Konflikte im häuslichen Bereich schnell
eingegangen werden kann. Das trägt wiederum zur psychischen
Entlastung des Pflegenden bei und bringt Erleichterung in den
Pflegealltag.
Gesprächsgruppen bieten Angehörigen und Kranken die
Chance, aus ihrer sozialen Isolation herauszukommen, sofern beide
noch ausreichend mobil sind.
Viele Probleme können leichter gelöst werden mit Menschen,
die gleiches bzw. ähnliches erleben. Denen können sie
sich öffnen, zuhören und sich angenommen fühlen.
Gesprächsgruppen schaffen eine Atmosphäre der Gemeinsamkeit.
Hier können die Angehörigen:
- endlich über ihre Schuldgefühle reden
- Ängste aussprechen
- sich gegenseitig trösten und bestärken
- Kraft schöpfen und neuen Mut fassen ("Mit hängenden
Flügeln bin ich gekommen und beschwingt gehe ich jetzt nach
Hause.")
- Erfahrungen austauschen
- neue Beziehungen aufbauen
- gemeinsam nach Problemlösungen suchen
Zwar lassen sich von anderen Betroffenen Ratschläge oftmals
besser annehmen, als von einer professionellen BeraterIn, doch
kann diese
- über die Krankheit aufklären,
- Blick und Ohr für den Kranken schärfen,
- die Wahrnehmung schulen,
- auf die veränderte innere Lebenswelt des Demenzkranken
aufmerksam machen,
- wichtige Informationen (z.B. zur Pflegeversicherung) einholen
und weitergeben.
Die Gruppen werden wesentlich länger als ein Jahr begleitet.
Denn es treten - wegen des fortschreitenden Krankheitsverlaufes
- ständig neue psychische und medizinische Probleme auf.
Dafür kann man keine allgemein verbindlichen Lösungen
anbieten, die der pflegende Angehörige bei Bedarf nur noch
aus der Schublade zu ziehen braucht. Fast jedes Problem erfordert
auch eine individuelle Lösung.
Alle Themen - sowohl emotionale, rationale und praktische Hilfestellungen
- der Angehörigenberatung nehmen in den Gesprächsgruppen
etwa gleichen Raum ein. Gemeinsam werden häufig auch Themen
besprochen, die aufgrund ihres privaten Charakters zunächst
eher Gegenstand einer Einzelberatung wären. Dies bedeutet
natürlich, daß der Einzelne in der Gruppe viel Redezeit
braucht, die er auch bekommt. Erstaunlicherweise sind aber der
Gruppe auch die scheinbar ganz persönlichen Probleme des
Einzelnen wichtig. Die anderen ahnen, daß das angesprochene
"private" Problem für sie früher oder später
sehr wohl relevant werden könnte. Irgend jemand hat immer
auch aus eigener Erfahrung etwas zu diesem Thema beizutragen.
Dies führt mit der Zeit zu einem unglaublichen Zusammenhalt
in der Gruppe.
Hierzu müssen die Gruppen allerdings relativ klein sein und
bleiben. Kommen acht Teilnehmer zu einem Gruppengespräch,
so empfinden das die Beteiligten bereits als eine große
Gruppe. Auch mit Gruppen von drei oder vier Pflegenden läßt
sich sehr erfolgreich arbeiten. Bis jetzt haben alle Teilnehmer
solcher "Minigruppen" den breiten Raum, der ihnen hier
geboten wurde, sichtlich genossen und wirksam genutzt.
Dabei haben sie die intensive Zuwendung, die ihnen in der kleineren
Gruppe zuteil kam, als besonders wohltuend empfunden. Nachdem
des öfteren zehn und mehr Teilnehmer in eine Gesprächsgruppe
kamen, machte ich den Vorschlag, die Gruppe zu teilen. Mein Ansinnen
stieß jedoch auf heftigen Protest. Niemand wollte freiwillig
den "Familienverband" verlassen.
Die Gruppen sind offen und geschlossen zugleich und doch auch
beides wieder nicht: Sie sind geschlossene Gruppen in dem Sinne,
wie auch eine Familie als "geschlossen" anzusehen ist.
D.h. mit der Zeit scheiden einzelne Mitglieder aus und neue werden
aufs herzlichste aufgenommen. In diesem Sinne ist die Gruppe wiederum
offen. Diese Form der Gruppe bietet gute Voraussetzungen, um gegenseitiges
Vertrauen aufbauen zu können. Und nur in einer von gegenseitigem
Vertrauen geprägten Atmosphäre sind Angehörige
bereit, auch über ihre tiefsten Gefühle zu sprechen.
So erwarten alle Gruppenmitglieder voneinander regelmäßiges
Erscheinen. Wenn jemand unentschuldigt fernbleibt, wird stets
nachgefragt. Das Fernbleiben könnte ja ein Hinweis auf eine
kritische Situation sein. Diese rege Anteilnahme am gegenseitigen
Wohlbefinden und das wechselseitige Vertrauen sind das Markenzeichen
der Angehörigen-Initiative Berlin.
Von Anfang wird darauf geachtet, den Angehörigen die Gewißheit
zu vermitteln, erwartet zu werden und Zuwendung empfangen zu dürfen.
Dazu gehört unter anderem auch eine schöne Atmosphäre
des Gruppenraums. Sie bringt Licht in den tristen Pflegealltag.
Die Gruppenteilnehmer beköstigen sich nicht nur mit Kaffee
und Gebäck, oftmals stellen sie selbst auch Blumen auf den
Tisch. Auch ihr Umgang miteinander ist nicht immer so ernst, wie
der schwierige Pflegealltag. Es wird auch gelacht! Zu erleben,
daß trotz fortgeschrittenem Krankheitsprozeß auch
noch Lachen, vorsichtiger Optimismus und Gemeinsamkeit möglich
sind, macht den bedrückenden Pflegealltag erträglicher.
Die Gruppentreffen dauern ca. zwei Stunden. Allerdings kann es
dann eine weitere halbe Stunde dauern, bis sich die letzten Angehörigen
voneinander sehr herzlich verabschiedet haben, nicht ohne sich
noch einmal gegenseitig Mut zugesprochen zu haben. Wie wohltuend
diese Art von Gruppenführung empfunden wird, drückt
eine Pflegende mit folgenden Worten aus: "Mit hängenden
Flügeln bin ich gekommen und beflügelt gehe ich jetzt
nach Hause." Während der Gruppensitzungen werden die
Demenzkranken grundsätzlich in einem Nebenraum fachlich betreut.
Die Trennung der beiden Gruppen ermöglicht es den Angehörigen,
frei über ihre Probleme zu sprechen, ohne das ohnehin labile
Selbstbewußtsein der Kranken weiter zu beschädigen.
Auch können Angehörige weinen, ohne daß es die
Kranken beunruhigt.
Gelegentlich unternehmen wir mit den Angehörigen und den
Demenzkranken auch Ausflüge z. B. in ein geschmackvoll eingerichtetes
Kaffee. Ein gediegenes Ambiente, frische Blumen auf dem Tisch
und leuchtende Kerzen bewirken eine innere Entspannung sowohl
bei den Kranken als auch bei den Angehörigen. Die Sicherheit
der Gruppe bietet einen beschützenden Rahmen, der für
alle Beteiligten ein Stück Normalität wieder herstellt
- wenn auch nur für kurze Zeit. Doch von diesen Erlebnissen
zehren alle Beteiligten noch recht lange. Außerdem macht
das auch Mut, so etwas auf eigene Faust zu wagen.
Neben der fachlich geleiteten Gesprächsgruppe findet im Nebenraum
gleichzeitig eine Betreuungsgruppe statt. Auch diese wird von
Pflegekräften geleitet, die sich speziell mit dem Krankheitsbild
Demenz auseinandergesetzt haben. Die Anzahl der zu betreuenden
Demenzkranken und deren besondere Verhaltensweisen (z.B. Weglauftendenz)
bestimmen die Anzahl von Pflegekräften, die diese Gruppe
betreuen. Die Pflegekräfte orientieren sich stets ganz
individuell an dem aktuellen Krankheitsbild des Einzelnen. Sie
benutzen krankheitsgerechtes Beschäftigungsmaterial, z.B.
Orff'sche Musikinstrumente, Fadenbälle, Seidentücher,
Luftballons und seit neuestem sehr erfolgreich auch ca. 50 cm
große Handpuppen.
Die Handpuppen erweisen sich als hervorragendes Hilfsmittel, um
Zugang zum Kranken zu finden, ein Gespräch anzufangen und
aufrecht zu erhalten. Spielen, Kaffeetrinken, Plaudern und Singen
fördern ohne Leistungsdruck Konzentration, Erinnerungsvermögen,
jegliche Restfähigkeiten und führen zu einer wohltuend
gelösten Atmosphäre. Die Kranken freuen sich jedesmal
über die Begegnung mit den anderen Kranken und den Pflegekräften.
Nach jeder Gruppensitzung haben die pflegenden Angehörigen
Gelegenheit, mit den Pflegekräften zu sprechen. Und davon
machen sie auch reichlich Gebrauch, denn es hat sich gezeigt,
daß die Kranken in der Gruppe viel mehr Aktivitäten
zeigen, als zuhause. Ursprünglich wurden die Betreuungsgruppen
eingerichtet, um den pflegenden Angehörigen die Teilnahme
an den Gesprächsgruppen zu ermöglichen. Doch dann stellten
wir die erwähnte therapeutische Wirkung fest. Deshalb empfehlen
wir jetzt allen Angehörigen, den Kranken mitzubringen, sofern
das möglich ist.
Aufwendiger, intimer und persönlicher als ein Telefongespräch
ist der Hausbesuch. Mit ihm werden unterschiedliche Ziele verfolgt:
- Nach der Kontaktaufnahme sollen das häusliche Umfeld
des Demenzkranken und seines Angehörigen besichtigt werden,
um praxisgerechte Tips zur Erleichterung der Pflegesituation geben
zu können.
- Pflegende Angehörige, die aufgrund ihrer Pflegesituation
immobil geworden sind, wird die Teilnahme an der fachlich geleiteten
Angehörigengruppe ermöglicht.
- Angehörige aus den Gesprächsgruppen, die keine familiäre
Unterstützung erhalten, werden durch die Hausbesuche zeitweise
entlastet und erhalten praxisnahe Anleitungshilfen.
- Bei Demenzkranken, die sich in der Krankengruppe unproblematischer
verhalten als zuhause, wird im häuslichen Umfeld nach Ansatzpunkten
gesucht, wie das Verhalten positiv beeinflußt werden kann.
- Hausbesuche bieten zuweilen den angemessenen Rahmen für
eine Familienberatung.
Die Hausbesuche werden von GerontosozialtherapeutInnen, Berufspraktikantlnnen
und ehrenamtlich tätigen Helfern durchgeführt. Diese
Arbeit wird aus Sonderprojekten oder Spenden finanziert. Auch
die direkte Bezahlung durch den pflegenden Angehörigen ist
möglich. In diesem Fall wird die Alzheimer Angehörigen-Initiative
lediglich vermittelnd tätig.
Mitarbeiter, die Hausbesuche durchführen, treffen sich regelmäßig
zum Informationsaustausch mit der Leiterin der Beratungssprechstunden
und Angehörigengruppen. Dadurch können Erkenntnisse
über das häusliche Umfeld bei den Einzel- und Gruppenberatungen
mit berücksichtigt werden. So kann die GerontosozialtherapeutIn
z.B. mitteilen, welche Anpassungen des häuslichen Umfeldes
an den fortschreitenden Krankheitsverlauf ihr sinnvoll erscheinen.
In der Gesprächsgruppe erworbenes Wissen ist nicht immer
ohne weiteres in die Tat umzusetzen. Außerdem gibt es nicht
für jedes Problem eine eindeutige Lösung. Demenzerkrankungen
erfordern daher viel Phantasie und Einfühlungsvermögen.
Sämtliche Faktoren wie die konkrete Gestaltung des häuslichen
Bereichs und des Umgangs der Betroffenen miteinander müssen
berücksichtigt werden.
Die GerontosozialtherapeutIn soll in Kenntnis des häuslichen
Umfeldes alternative Herangehensweisen unmittelbar am aktuellen
Problem aufzeigen und erläutern. Es liegen Erfahrungen vor,
daß sich solche praxisbezogenen Hinweise und Ratschläge
vor Ort erheblich erleichternd auf den Pflegealltag auswirken.
Pflegende Angehörige, die aufgrund ihrer Pflegesituation
immobil geworden sind, wird durch die Hausbesuche die Teilnahme
an der Angehörigengruppe ermöglicht.
Die Isolation, in der sich der Demenzkranke zusammen mit seinem
pflegenden Angehörigen befindet, kann oftmals deshalb nicht
durchbrochen werden, weil die Mobilität der Betroffenen erheblich
einschränkt ist. Ein Grund hierfür kann z.B. die häufige
Weglauftendenz und Desorientierung des Kranken sein. Der Großstadtverkehr
stellt dann eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben des
Kranken dar. Der pflegende Angehörige kann dann die Wohnung
auch nur für kurze Zeit verlassen, weil der Kranke der Beaufsichtigung
bedarf, ohne die er sich selbst sowie Hab und Gut erheblich schädigen
würde.
Der Hausbesuch ermöglicht es auch unter diesen Umständen,
weiterhin an der Gesprächsgruppe teilzunehmen. Dadurch können
diese Angehörigen auch weiterhin über die Krankheit
und den angemessenen Umgang informiert werden. Durch Thematisierung
ihrer bedrückenden Gefühle werden sie psychisch entlastet
und ihre soziale Isolation wird durch die Gemeinschaft Gleichbetroffener
reduziert.
Der Demenzkranke wird währenddessen in seinem häuslichen
Umfeld unter Berücksichtigung seiner Restfähigkeiten
therapeutisch aktiviert. Dies hilft auch, die soziale Isolation
des Kranken zu reduzieren.
Angehörige aus den Gesprächsgruppen, die keine familiäre
Unterstützung erhalten, werden durch die Hausbesuche entlastet
und erhalten praxisnahe Anleitungshilfen.
Auch dadurch wird die soziale Isolation der Betroffenen vermindert.
Vor allem für pflegende Angehörige, welche die Hilfsangebote
Beratungssprechstunde und Gruppenaktivitäten aufgrund eigener
Gebrechlichkeit nicht nutzen können, ist der Hausbesuch der
einzige nennenswerte soziale Kontakt auf gleicher Ebene.
"Ich habe Angst, das Sprechen zu verlernen, wenn Sie nicht
mehr kommen" sagte ein pflegender Ehemann. Über zwei
Jahre lang wurden er und seine demenzkranke Frau alle vierzehn
Tage regelmäßig besucht. Durch diese kontinuierliche
Betreuung war es ihm möglich, seine Frau zuhause zu versorgen,
bis sie schließlich in seinen Armen ganz ruhig und zufrieden
starb. Er ist glücklich darüber, ihr bis zum letzten
Atemzug die Geborgenheit gegeben haben zu können, die sie
brauchte.
Bei Demenzkranken, die sich in der Krankengruppe unproblematischer
verhalten als zuhause, sucht die GerontosozialtherapeutIn nach
Ansatzpunkten, wie im häuslichen Umfeld das Verhalten positiv
beeinflußt werden kann.
Häufig zeigen Demenzkranke in der Gruppe ein anderes Verhalten
als zuhause. So kommt es z.B. vor, daß sich Kranke daheim
nur stumm passiv verhalten, wogegen sie sich in der Krankengruppe
aktiv am Gruppengeschehen beteiligen und sich sogar verbal äußern.
In diesen und ähnlich gelagerten Fällen soll die GerontosozialtherapeutIn
helfen herauszufinden, wie der Kranke zuhause so aktiviert werden
kann, daß der fortschreitende Krankheitsverlauf durch körperliche
und geistige Stimulation günstig beeinflußt werden
kann.
Hierzu muß sie die häusliche Situation und die Beziehung
zwischen dem Demenzkranken und seinem pflegenden Angehörigen
analysieren, thematisieren und Alternativen aufzeigen.
Durch die Hausbesuche wird ein wichtiger Beitrag geleistet, um
z.B. eine drohende Heimeinweisung zu verzögern oder sogar
zu verhindern. Gesamtwirtschaftlich stehen den Aufwendungen für
die GerontosozialtherapeutIn auch Einsparungen an potentiellen
Kosten gegenüber.
Familienberatungen können im häuslichen Umfeld stattfinden,
werden aber auch an neutralen Orten durchgeführt. An Familienberatungen
beteiligen sich u.a. auch Kinder bzw. Enkel des Erkrankten. Diese
leiden nämlich ganz besonders unter der aus dem Gleichgewicht
geratenen häuslichen Situation. Im Verlauf dieser Gespräche
wird Verständnis für die schwierige Lebenslage des Kranken
geweckt und Möglichkeiten des konfliktarmen Umgangs diskutiert.
Solche Gespräche führen zur Entlastung der Hauptpflegeperson
auf zweierlei Weise: Zum einen wird gemeinsam erörtert, wer
welche Pflegeleistungen noch in der Familie erbringen kann. Zum
anderen werden eine gemeinsame Sichtweise für die neu entstandene
familiäre Situation erarbeitet und gegenseitiges Verständnis
geweckt.
Die vorgestellten Hilfsangebote sind jedes für sich nicht
neu. Eine Vielzahl von Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland
bieten eines oder einige dieser Hilfsangebote ebenfalls an - wenngleich
unter anderen Rahmenbedingungen, z. B. Gruppengröße,
Zusammensetzung der Gruppen, Atmosphäre, Dauerhaftigkeit,
Erreichbarkeit und Intensität.
Wie bereits dargestellt, schafft erst die von der Alzheimer Angehörigen-Initiative
praktizierte Ausprägung der gebündelten Hilfsangebote
die Rahmenbedingungen zur Aktivierung des Selbsthilfepotentials
der pflegenden Angehörigen von Demenzkranken. Erst unter
diesen Voraussetzungen sind die meist ins soziale Abseits gedrängten
Pflegepersonen in der Lage, ein stabiles soziales Netzwerk, um
sich herum neu aufzubauen. Über dieses Netzwerk werden nicht
nur hilfreiche Erfahrungen und Informationen auch außerhalb
der Gesprächsgruppen ausgetauscht, es werden auch Fahrgemeinschaften
zu den Gesprächsgruppen organisiert, Freundschaften geschlossen
und gemeinsame Aktivitäten geplant und durchgeführt,
z.B. ein gemeinsam verbrachter Heilig Abend. Die starke Anteilnahme
und praktizierte Solidarität der pflegenden Angehörigen
untereinander ist das Markenzeichen der Alzheimer Angehörigen-Initiative.
Bis aufs äußerste belastete Pflegende leisten trotz
oder gerade wegen ihrer Notlage anderen wertvolle Hilfe, die jedoch
nur schwer quantifizierbar ist.
Als Konsequenz hat sich die Alzheimer Angehörigen-Initiative
1997 als gemeinnütziger Verein etabliert, um dem Zusammengehörigkeitsgefühl
einen angemessenen Rahmen zu geben. Der Verein versteht sich auch
als Interessenvertretung aller pflegenden Angehörigen Demenzkranker
von Berlin und Umgebung. Ihre flächendeckende psychosoziale
Betreuung ist das Ziel dieses Vereins. 29
Die Alzheimer Angehörigen-Initiative wurde vor vier Jahren
durch die ehrenamtliche Arbeit einer engagierten Einzelkämpferin
initiiert. Seit September 1995 fördert die Senatsverwaltung
für Gesundheit und Soziales diese Arbeit mit einer halben
Stelle. Seit Januar 1997 fördert die Volkssolidarität
Landesverband Berlin e.V. als Träger des Projektes diese
Arbeit mit einer weiteren halben Stelle 30.
Bisher erhielten über 250 pflegende Angehörige von Demenzkranken
dringend benötigte Hilfe. Zwei Drittel von ihnen wurden dauerhaft
betreut.
Zusätzlich zur hauptamtlichen Mitarbeiterin verfügt
die Alzheimer Angehörigen-Initiative heute über eine
Personalkapazität von ca. 77 Std. / Woche aus dem Selbsthilfepotential
der pflegenden Angehörigen 31
- Für Beratungssprechstunden und Gesprächsgruppenleitung:
1 ehrenamtliche Mitarbeiterin (Ärztin und pflegende Angehörige)
ca. 25 Std. / Woche
2 ehrenamtliche MitarbeiterInnen (ehemals pflegende Angehörige)
ca. 15 Std. / Woche
- Für organisatiorische Arbeiten:
1 ehrenamtlicher Mitarbeiter ca. 15 Std. / Woche
- Für Krankenbetreuung und Hausbesuche mit beratendem Charakter:
2 ehrenamtlich arbeitende Gerontosozialtherapeutinnen 8 Std. /
Woche
2 Gerontosozialtherapeutinnen (Honorarkräfte) 12 Std. / Woche
1 Schwesternhelferin (Honorarkraft) 2 Std. / Woche
Weitere sechs Angehörige haben ihre Mitarbeit für unterschiedliche
Tätigkeiten und in unterschiedlichem Umfang angeboten. Ihr
Einsatz steht unmittelbar bevor.
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[25] LAWTON, M. P.; et al: A controlled
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Gerontologist 29 (1989) 8-16
[26] LEVIN, R.; et al: The supporters
of Confuse Elderly Persons at Home. Broschüre des London
National Institute of Social Work (1986)
[27] MOHIDE, E. A.; et al: Measuring
the well-being of family caregivers using the time trade-off technique.
J Clin Epidemiol 41 (1988) 475-482
[28] MONTGOMERY, R. J. V.; BORGATTA,
E. F.: The effects of alternative support strategies on family
careging. Gerontologist 29 (1989) 457-464
[29] MÜCK, H.: Demenztherapie
erfordert Kreativität. Demenz-Spektrum, 1. Ausgabe (1995)
2
[31] PILLEMER, K.; FINKELOHR, D.:
Cause of elder a-buse. Caregiver stress versus problem relatives.
Am. J. Orthopsychiatrie 59 (1989) 179-187
[33] SCHWARZ, G.: Pflege in der BRD
- Daten, Fakten, Hintergründe. Alzheimer Informationen, 1.
Ausgabe (Juni 1992) 10-11
[34] SHULMAN, Kennet I., COHEN, Carole
A.: Quality of Life and Economic Aspects of Community Support
Programs for Caregivers of Dementia Patients; The American Journal
of Geriatric Psychiatry 1 (3) (1988) 211 - 220
[35] SKIPWITH, D. H.: Telephone Counseling
Interventions with Caregivers of elders. J-Psychosoc-Nurs-Ment-Healt-Serv.
32(3) (1994) 7-12
[37] ZARIT, S. H.; et al: Subjective
burden of husbands and wives as caregivers. A longitudinal study.
Gerontologist (St. Louis) 26 (1986) 260-266
[38] Alzheimer Gesellschaft Münster
e.V.: Zusammenfassung der Ergebnisse der Vorträge, Jahrestagung
der Deutschen Alzheimer Gesellschaft 08. - 09.10.199 unter Berufung
auf einen Vortrag von BICKEL, H. (Mannheim)
Anmerkungen
1
Das Projekt ist ohne Einschränkungen auch auf andere Ballungsgebiete
übertragbar.
2
siehe Kap. 3.5
3
siehe Kap. 3.3
4
siehe Kap. 3.4
und Kap. 3.6
5
siehe Kap. 3.2,
Kap. 3.4 und Kap. 3.6
6
siehe Kap. 3.5
und Kap. 3.6
7
siehe Kap. 3.4
8
siehe Kap. 4
9
siehe Kap. 6.3
- Kap. 6.4
10
siehe Kap. 3.5
11 siehe Kap. 3.6
12 Nach der dort abgebildeten Graphik entfallen auf die Alzheimer-Krankheit 52% gefolgt von
der Multiinfarkt Demenz (MID) mit 17%; weitere 14% der Demenzerkrankungen entfallen auf mehre Ursachen, meist SADT und MID.
13 [19]Tabelle 17f sowie S. 98f
14 nach einer persönlichen Mitteilung von E. GRÄßEL aufgrund von Zahlenmaterial aus seiner Pilotstudie von 1992 (siehe auch: [18])
Die diesem Item zugrunde liegende
Frage lautet: "Wegen der Pflege leidet meine Beziehung zu
Familienangehörigen, Verwandten Freunden und Bekannten."
Die stark empfundene Isolation verbunden mit fehlender Möglichkeit
der Aussprache mit dem Pflegebedürftigen und Außenstehenden
wird von den pflegenden Angehörigen in den Selbsthilfegruppen
und in Einzelgesprächen heftig beklagt. Dies widerspricht
den relativ niedrigen Belastungswerten aus dieser Stichprobe.
Im Zusammenhang mit der geringen Neigung der pflegenden Angehörigen
von Demenzkranken, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, könnte
dies ein Hinweis darauf sein, daß die Neigung, Hilfe Dritter
anzunehmen dann stark zunimmt, wenn diese Belastungsfaktoren eintreten.
15
Bei den pflegenden Angehörigen, die bereits Gruppen- oder
Einzelgespräche in Anspruch genommen haben (max. 20 % der
Stichprobe), könnten die niedrigen Werte auch darauf zurückzuführen
sein, daß diese Hilfsangebote bereits entlastend gewirkt
haben.
16
siehe auch [19] Tabelle 15 und 52 und S. 93 f mit Verweisen auf weitere internationale Studien
17 gemäß Gießener-Beschwerde-Bogen (GBB). In [19]
Tabelle 15 werden diese Zahlen anhand einer wesentlich größeren
Stichprobe von 1911 Pflegenden Angehörigen (davon 1272 pflegende
Angehörige Demenzkranker) bestätigt.
18 Im Jahr 1990 dürfte das therapiebedingte Sparpotential bei mindestens 300 Mio. DM gelegen haben [12].
19 Alzheimer's Training Programme, Prince Henry Hospital vom 18. August 1987
20 [34 5]. In ihrer Übersichtsarbeit werten die Autoren diese Studie übrigens als die erste systematische Beobachtung, die im zeitlichen Verlauf einen klaren Unterschied zwischen Interventions- und Kontrollgruppe zeigt.
21 In seiner Arbeit von 1989 nennt BRODATY folgende Schwerpunkte seines 10-Tages-Programms:
- didaktische Unterweisung (didactic education)
- Gruppentherapie (group therapy)
- Training des Organisationstalents (training in management skills)
- Training der Durchsetzungsfähigkeit (assertivness training)
- Diskussion nachgespielter Szenen (discussion of "re-roling"
- Familientherapie (extended family therapie sessions)
- Problemlösungstechniken (training in techniques for managing problems)
- Grundlagen der Verhaltenstherapie (basic principles of behavior modification)
- Beschäftigungstherapie (use of activities)
22 In [4] werden folgende Maßnahmen genannt:
- 14-tägige Telefonkonferenzen aller 4 Teilnehmer mit der Koordinatorin
- übers Jahr Reduzierung auf einen Zyklus von 4, später 6 Wochen
- 2 Abschluß-Konferenzen, die von der Koordinatorin einberufen wurden, an denen sie aber nicht selbst teilgenommen hat.
23 Gemessen wurde der Gesundheitszustand durch den Index auf der Skala des General Health Questionaire (GHQ)
24 siehe auch [19] S. 100ff mit Verweisen auf weitere internationale Studien
25Die bestehende Isolation kann oftmals deshalb nicht durchbrochen werden, weil die Mobilität erheblich einschränkt ist. Ein Grund hierfür kann z.B. die häufige Weglauftendenz und Desorientierung des Kranken sein. Der Großstadtverkehr stellt dann eine Gefahr für Leib und Leben dar. Ist der pflegende Angehörige möglicherweise selbst schon gebrechlich, kann er die Hilfsangebote Beratungssprechstunde und Gruppenaktivitäten nicht nutzen.
26 Der methodische Ansatz ist ausführlich in [20] dargestellt und begründet. Abweichungen dazu sind in [7a] dargestellt, ebenso die deren Ursache und Notwendigkeit (äußerst knappe Mittel) sowie deren positive Effekte.
27 siehe [20] S. 250 ff
28 Viele der pflegenden Angehörigen suchen und finden auch untereinander Beistand. Oft werden diese Kontakte ebenfalls auch per Telefon gepflegt, doch besuchen sich einige Angehörige mit den Kranken gegenseitig. Diese Intensivierung der sozialen Kontakte ist eine weitere Besonderheit der Alzheimer Angehörigen-Initiative.
29 siehe [7b] und [7c]
30 Projekttitel: Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige von Demenzkranken
31 Die z.T. aus Spendengeldern und Mitgliedsbeiträgen der pflegenden Angehörigen finanzierten Honorarkräfte werden dieser Personalkapazität mit. zugerechnet. Weitere Mittel für Honorarkräfte: 2.500 DM für die Betreuungsgruppen werden von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales finanziert. Die Gruppen- und Einzelbetreuung von Demenzkranken des Bezirks Marzahn wird vom Bezirksamt Marzahn mit 5.000 DM bezuschußt.
32 Quellverweise im Text vom Typ [a b] bedeuten, daß in der Quelle a auf Ergebnisse der Quelle b verwiesen wird.
© Rosemarie Drenhaus-Wagner - Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V.
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